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Home » News » Wie Demenz eine geliebte Person verändert
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Isabella (76, Name von der Redaktion geändert) berichtet, wie die Alzheimer-Erkrankung das Leben ihres Mannes Martin (83) und das ihrige verändert hat.

Schon in den letzten fünf oder sechs Jahren hatte sich unsere Beziehung verschlechtert: seine überhöhten Ansprüche an mich, Feindseligkeit, verdeckte Kontrolle. Er sprach von Scheidung, zeitweise dachte ich auch daran. Wir gingen zu einem Paartherapeuten und haben dort zumindest über unsere Differenzen sprechen können. Letztendlich war die Therapie aber ein Treten an Ort. Ich ging ihm aus dem Weg, wenn ich seine ständige Kritik und die negative Stimmung zu Hause nicht ertrug. Seine verbalen Attacken, die Versuche, mich mundtot zu machen, und seine Empathielosigkeit verletzten mich: «Es ist die Wahrheit» – in seinen Augen – «und die Wahrheit darf man immer sagen.» Oder wenn ich anfing, etwas zu sagen oder zu ergänzen: «Sei du still!» Rückblickend, meine ich, waren dies frühe Anzeichen seiner Demenz.

Beispiel: In seinem politischen Engagement manifestierte sich die Erkrankung durch Gereiztheit und ungezügelten Ärger. Im Rahmen der Mitarbeit in einer Arbeitsgruppe verhielt er sich überheblich und übte in aggressiver Weise Kritik an anderen Teilnehmenden. Die Spannungen in der Arbeitsgruppe wuchsen ins Unerträgliche. Er wurde ausgebootet und reagierte darauf mit Kontaktabbruch und Rückzug. Nach aussen hin nahm ich sein unpassendes Verhalten in Schutz – um Konflikte zu vermeiden. Innerlich schämte ich mich für sein Benehmen und empfand Wut darüber, dass er mich so schlecht behandelte.

Weil ich das Krankhafte und Rigide in seinem Verhalten nicht einordnen konnte, begann ich, mich intensiv über Demenz zu informieren, und stiess dabei auf die Vereinigung Alzheimer Schweiz. In einer Angehörigengruppe fand ich Rat und Verständnis. Ich hörte, wie unterschiedlich sich die Krankheit äussert und dass starke Aggressionen häufig vorkommen, besonders wenn die Paarbeziehung schon vorher belastet war. Eine neurologische Untersuchung brachte schliesslich Klarheit: mittelschwere Demenz des Typs Alzheimer. 

Inzwischen lebt Martin in einem Pflegeheim. Herzprobleme und das stetige Nachlassen seiner Kognition machten dies unumgänglich. Was ich kann, ist, für schöne Erlebnisse zu sorgen. Wir spielen ein einfaches Brettspiel, hören gemeinsam Musik oder ich massiere ihm die Beine. Dann leuchten manchmal seine Augen. Es ist bereichernd, wenn ich das Gefühl habe, dass ich ihn begleiten kann, denn ich empfinde nach wie vor Liebe für ihn.

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