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Home » News » Früherkennung von Herzinsuffizienz bei Diabetesbetroffenen
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Kardiologe Matthias Paul, Allgemeinmediziner Christian Studer und Endokrinologe Roger Lehmann haben als multidisziplinäres Team Empfehlungen zur Früherkennung von Herzinsuffizienz in der Schweiz erarbeitet.

Dr. med. Matthias Paul

© ZVG

Leiter Herzinsuffizienz und stationäre Kardiologie, Leitender Arzt Kardiologie, Luzerner Kantonsspital

KD Dr. med. Christian Studer

© ZVG

Zentrum für Hausarztmedizin und Community Care, Universität Luzern

Prof. Dr. med. Roger Lehmann

© ZVG

Leitender Arzt, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung, Universitätsspital Zürich

Wie hängen Diabetes Typ 1 und Typ 2 mit Herzinsuffizienz zusammen?

Paul: Die Zusammenhänge liegen vor allem in der Pathophysiologie. Diabetes fördert entzündliche Prozesse, insbesondere in den Herzkranzgefässen, was chronische Durchblutungsstörungen oder einen Herzinfarkt zur Folge haben kann – beides Risikofaktoren für eine nachfolgende Herzinsuffizienz. Entzündliche Reaktionen betreffen zudem oft kleine Gefässe und können eine Nierenschwäche auslösen, die ihrerseits das Risiko für Herzinsuffizienz erhöht – ein Zusammenhang, der häufig unterschätzt wird. Zudem entwickeln Diabetiker:innen nicht nur häufiger, sondern auch früher eine Herzinsuffizienz: Während das Risiko in der Allgemeinbevölkerung ab etwa 65 Jahren ansteigt, beginnt es bei Diabetiker:innen bereits ab 60 Jahren. Das Sterberisiko durch Herzinsuffizienz ist bei betroffenen Diabetiker:innen deutlich höher als bei Diabetiker:innen ohne diese Komplikation.

Studer: Aus hausärztlicher Sicht ist die Einstellung des Diabetes entscheidend und nicht der Typ. Natürlich gibt es beim Typ 2 auch nicht insulinpflichtige Patient:innen, die das betrifft. Das Entscheidende ist aber die Hyperglykämie – die Überlastung der Zelle mit Zucker, die dem Herz schadet. Und da der Typ 1 bereits im jugendlichen Alter auftreten kann, ist der langjährige Verlauf entscheidend. Gut eingestellte Diabetiker:innen haben eine nahezu normale Lebenserwartung und kein erhöhtes Risiko einer Herzinsuffizienz. Bislang ist der Zusammenhang von Diabetes und Herzinsuffizienz leider nur wenig geläufig. Dazu braucht es sowohl unter den Patient:innen als auch unter den Grundversorgern Weiterbildung.

Lehmann: Mittlerweile gibt es auch Kampagnen, die auf diese Zusammenhänge hinweisen, denn das Risiko ist beträchtlich: Die häufigste nicht diagnostizierte Form der Herzinsuffizienz ist die erhaltene Auswurffraktion. Das sind vor allem mikrovaskuläre Komplikationen, wie sie für Diabetes typisch sind. Man spricht hier auch von der diabetischen Kardiomyopathie. Das betrifft häufig Frauen, die nicht die typischen makrovaskulären Komplikationen vorweisen. Darum wäre es auf jeden Fall wichtig, dass die Ärzt:innen im niedergelassenen Bereich hier entsprechend informiert sind.

Wie lässt sich hier ein potenzielles Risiko abklären, bevor es zu einer symptomatischen Herzinsuffizienz kommt?

Studer: Bis anhin wurde in der hausärztlichen Praxis kein Screening für eine Herzinsuffizienz asymptomatischer Patient:innen durchgeführt. Nun haben wir mit einem Laborwert, dem NT-proBNP, die Möglichkeit, frühzeitig, noch bevor die Patient:innen symptomatisch werden, zu screenen.

Paul: Der Test misst die Konzentration eines spezifischen Peptids im Blut. Bei deutlich erhöhten Werten sollte auch ohne Anzeichen einer Herzinsuffizienz eine kardiologische Abklärung erfolgen, um eine Vorstufe der Herzschwäche zu erkennen und frühzeitig zu behandeln. Sind die Werte nur leicht erhöht, kann bei Fehlen von weiteren Risikofaktoren auch eine engmaschige Beobachtung sinnvoll sein. Eine frühe Behandlung kann die Entwicklung einer Herzschwäche verhindern oder zumindest verzögern.

Lehmann: Das Alter ist einer der Hauptrisikofaktoren. Diabetolog:innen, Kardiolog:innen und Hausärzt:innen, die sich im Rahmen eines Projekts ausgetauscht haben, sind sich einig, dass man den Test bei asymptomatischen Patient:innen mit Diabetes ab 60 Jahren anwendet, und zwar unabhängig, ob Typ-1- oder Typ-2-Diabetes mellitus. Das ist ebenjener Zeitpunkt, ab dem das Risiko deutlich ansteigt. Damit ist es möglich, ein potenzielles Risiko früh zu erkennen, ohne Patient:innen unnötig zu verunsichern. Patient:innen profitieren aber sicherlich immer davon, wenn man als Ärztin/Arzt aufmerksam Symptome und Zeichen einer Herzschwäche sucht.

Paul: Aus ärztlicher Perspektive heisst das, die richtigen Fragen zu stellen: Wie steht es um die Leistungsfähigkeit, besteht eine zunehmende Atemnot bei Anstrengung? Haben sich Anzeichen einer Herzinsuffizienz entwickelt? Einschneidende Socken bei geschwollenen Beinen sind hier ein guter Indikator.

Gibt es eine Form von Prophylaxe bei einem bestehenden Risiko?

Paul: Das Wichtigste bei Diabetes sind eine optimale Blutzuckereinstellung und die regelmässige Wahrnehmung von Vorsorge- und Kontrollterminen, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Ebenso sollten andere Risikofaktoren für das Herz, wie Bluthochdruck und Übergewicht, konsequent behandelt werden und man sollte auf das Rauchen verzichten. Zeigt der Bluttest zur Früherkennung einer Herzinsuffizienz erhöhte Werte, stehen gute Medikamente zur Verfügung, die gleichzeitig den Diabetes, die Herzschwäche sowie auch eine Nierenschwäche behandeln.

Lehmann: Die Medikation des Diabetes sollte dabei den empfohlenen Richtlinien folgen. Manche Diabetiker:innen werden nach wie vor mit veralteten Medikamenten behandelt, die abgesehen von der blutzuckersenkenden Wirkung keine zusätzlichen positiven Effekte vorweisen. Insbesondere für Patienten:innen mit Typ-2-Diabetes gibt es in der Schweiz klare Empfehlungen zur Medikation. Diese beinhalten rezente und effektive Medikamente, die unter anderem auch einen positiven Einfluss auf das Herz haben.

Studer: Mit Blick auf den Diabetes bildet sicherlich eine gute Blutzuckereinstellung die Basis. Für eine effektive Behandlung und auch für die Prophylaxe kann man die Rolle gesunder Ernährung, vor allem der Reduktion von Kohlenhydraten, und regelmässiger Bewegung – sportliche Aktivität, fünfmal wöchentlich für zumindest 20 Minuten – nicht genug hervorheben. Denn diese wirken sich nicht nur positiv auf den Diabetes, sondern auf das gesamte Herz-Kreislauf-System aus.


DIABETESSCHWEIZ

diabetesschweiz unterstützt Menschen mit Diabetes und begleitet sie und ihre Angehörigen in ihrem Ziel, das Beste aus ihrem Diabetes zu machen. In den 20 regionalen Diabetes- Gesellschaften erhalten Betroffene professionelle Beratungen (Diabetesberatung, Ernährungsberatung, medizinische Fusspflege) und umfassende Informationen rund um den Diabetes mellitus. diabetesschweiz ist zudem aktiv in der Diabetes-Prävention und -Früherkennung und informiert die Öffentlichkeit regelmässig über Diabetes-bezogene Themen.

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