Gemeinsam behandeln Prof. Dr. Jan Hendrik Niess und Prof. Dr. Petr Hrúz bei Clarunis
– universitäres Bauchzentrum Basel Patient:innen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Im Interview führen die beiden Experten aus, worauf es in der Behandlung von CED ankommt.
Prof. Dr. med. Jan Hendrik Niess
Professor für Gastroenterologie, Leitender Arzt Gastroenterologie/Hepatologie, Clarunis – universitäres Bauchzentrum Basel
Prof. Dr. med. Petr Hrúz
Leitender Arzt Gastroenterologie/Hepatologie, Clarunis – universitäres Bauchzentrum Basel
Was versteht man unter chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, kurz CED?
Jan Hendrik Niess: Es gibt zwei Formen der CED. Einerseits Colitis ulcerosa, wobei der Dickdarm von der Erkrankung betroffen sein kann, und andererseits Morbus Crohn, bei dem der gesamte Darm beteiligt ist. Bislang gibt es keine einzelne Ursache für die Entstehung von CED. Wir wissen aber, dass CED an Zahl und Häufigkeit in den letzten 100 Jahren stark zugenommen haben. Wir gehen davon aus, dass Umweltfaktoren hierfür Auslöser sind.
Welche Symptome treten bei CED auf, beziehungsweise gibt es Alarmsignale?
Petr Hrúz: Bei beiden Erkrankungen können Gewichtsverlust sowie Fieber Alarmsignale sein. Ein typisches Symptom für Colitis ulcerosa ist blutiger Durchfall. Bei Morbus Crohn können die Symptome «maskierter» sein. Je nach Krankheitsaktivität können häufige Durchfälle, aber auch Blutbeimengungen im Stuhl auf Morbus Crohn hinweisen. Bauchkrämpfe können bei beiden Erkrankungen auftreten.
Wie werden CED in der Regel diagnostiziert?
Niess: Obwohl die Erkrankungen an Häufigkeit zunehmen, wird die Diagnose dennoch zumeist erst spät gestellt. Leider wird oft zu spät bei entsprechenden Symptomen an CED gedacht. Die Diagnose erfolgt auf Basis von mehreren Bausteinen. Wir untersuchen den Stuhl auf Entzündungsaktivitäten mithilfe des Markers Calprotectin. Ist dieser Laborwert erhöht und liegen typische Symptome vor, wird einer Darmspiegelung eine Probe aus den entzündlichen Arealen weiter im Labor unter dem Mikroskop unter-sucht. Zusätzlich zu einer Darmspiegelung nutzen wir auch die Bildgebung, um auszuschliessen, dass auch noch andere Bereiche von der Erkrankung betroffen sind.
Wenn eine CED diagnostiziert wird: Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Hrúz: Die Behandlung ist komplex, weil bei jeder Patientin und jedem Patienten mehrere Faktoren ins Spiel kommen. So hängt die Therapie unter anderem von der Schwere der Erkrankung, dem Ort der Entzündung und der Dauer der chronischen Erkrankung ab. Unser Therapieziel ist es, Beschwerdefreiheit zu erreichen, dass möglichst keine Operationen durchgeführt werden müssen und die Leistungs- und Arbeitsfähigkeit von Patienten bewahrt wird. Wir können heute Medikamente aus verschiedenen Substanzgruppen anwenden. Welches Medikament eingesetzt wird, hängt nicht nur davon ab, um welche Erkrankung es sich handelt, sondern auch davon, wo diese lokalisiert ist. Denn neben dem Darm kann es bei CED auch andere Krankheitslokalisationen, etwa in der Haut oder in den Gelenken, geben.
Welche neuen und innovativen Methoden in der Behandlung von CED erwarten Sie für die nächsten Jahre?
Niess: Bereits im nächsten Jahr werden wir neue Medikamente in der Behandlung von CED zum Einsatz bringen können. Als Zentrum beteiligen wir uns natürlich auch an Studien, in denen wir neue Medikamente in der fortgeschrittenen klinischen Erprobung testen. Wir erwarten, dass sich in den nächsten zehn Jahren die Methoden der medikamentösen Therapie noch weiter erhöhen werden.
Hrúz: Wenn wir uns die Zeitachse der letzten Jahre ansehen, werden wir in den nächsten Jahren mehr Optionen anbieten können. Die Zukunft liegt in einer optimierteren Behandlung von Patientinnen und Patienten. Ausserdem braucht es auf CED spezialisiertes Pflegefachpersonal. Eine speziell ausgebildete IBD Nurse wird bei uns bald ihre Arbeit aufnehmen.
Welche Vorteile haben Patientinnen und Patienten mit CED, wenn sie im Kompetenzzentrum Clarunis in Basel behandelt werden?
Niess: Wir betreuen Patientinnen und Patienten mit CED im Claraspital und im Universitätsspital Basel in sehr enger Zusammenarbeit und standortübergreifend. Die Krankheitsverläufe von CED sind sehr unterschiedlich. Gerade für schwere Formen lohnt es sich, an einem hoch spezialisierten Zentrum betreut zu werden. In den letzten Jahren sind viele Medikamente auf den Markt gekommen. Es wird immer schwieriger, hier den Überblick zu bewahren, welches Medikament für welchen Patienten, welche Patientin welche Vorteile hat. Da die Erkrankungen auch andere Organe betreffen können, haben wir am grossen Zentrum die Möglichkeit, uns mit anderen Spezialistinnen und Spezialisten auszutauschen und komplexe Krankheitsverläufe zu diskutieren. Wir beschäftigen uns hier intensiv mit den Erkrankungen und haben die Möglichkeit, gemeinsam die beste Lösung für die Patientinnen und Patienten zu finden.